Schulterinfo.ch - Tendons - Enthesitis
Schulterinfo.ch
Zusammenfassung
Die Enthesitis ist eine akute oder chronische Entzündung im Bereich der Enthese.
Der Begriff "Enthesiopathie" wird für jeden pathologischen Befund verwendet, der das Enthesenorgan betrifft. Die Ursachen können mechanisch, rheumatologisch-entzündlich, internistisch oder z. B. endokrinologisch bedingt sein. Typischerweise besteht eine Empfindlichkeit an der Ansatzstelle und zusätzliche Anzeichen für verschiedene systemische Entzündungen können auftreten.
Die Diagnose ist kompliziert, da die klinischen Anzeichen vage sind. Röntgenaufnahmen, MRT und Ultraschall können helfen, eine Enthesitis oder Enthesiopathie zu erkennen.
Die Behandlung hängt von der zugrundeliegenden Ursache ab.
Als Enthese bezeichnet man den Ursprungs- oder Ansatzpunkt einer Sehne, eines Bandes, einer Faszie oder z. B. einer Gelenkkapsel am Knochen. Enthesen gibt es überall im Körper, nicht nur in der Peripherie, sondern auch axial, also an der Wirbelsäule. "Fibröse" Enthesen sind durch den direkten Ansatz einer Sehne oder eines Muskels am Knochen gekennzeichnet und befinden sich in dicken kortikalen Schichten, die wir typischerweise in den Diaphysen langer Knochen finden. "Faserknorpelige" Enthesen setzen an dünnen kortikalen Schichten an, die an den epiphysären oder apophysären Enden langer Knochen vorkommen, und befinden sich oft in der Nähe von Gelenken mit Synovialgewebe (z. B. Schleimbeutel, Synovialrezessus). Typischerweise verläuft eine Sehne oder ein Band über eine knöcherne, von hyalinem Knorpel bedeckte "Umlenkrolle" kurz vor dem Ansatz an der Enthese. In der der "Umlenkrolle" zugewandten Schicht der Enthese befindet sich histologisch ein "sesamoidartiger" Knorpel und dazwischen oft eine synoviale Struktur (z. B. Schleimbeutel oder Synovialmembranen eines Gelenks).
Die Enthesitis selbst ist eine akute oder chronische Entzündung der Sehnen an ihrem Ansatzpunkt und tritt typischerweise bei Patienten mit Spondylarthritis (SpA), Psoriasis-Arthritis (PsA) und im Zusammenhang mit anderen Spondyloarthritiden auf. Histologische Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Enthese als ein Organ betrachtet werden kann. Der Begriff "Enthesenorgan" oder "Synovio-Enthesis-Komplex" umfasst nicht nur den Enthesenansatz selbst, sondern auch angrenzende Strukturen wie Schleimbeutel oder angrenzendes Fettgewebe.
Definition von "Enthesenorgan":
- Ursprung oder Ansatz von Sehne/Band/Faszie/Kapsel.
- Sesamoidartiger-Faserknorpel
- Enthesischer Faserknorpel
- Periostaler-Faserknorpel
- Angrenzendes Fettpolster
- Schleimbeutel
- Synovialer Rezessus
Wir sehen die Enthesitis in der Regel im Zusammenhang mit einer Grunderkrankung mit Entzündungszeichen auf Ebene der Enthese. Die Enthesitis kann jedoch auch die Folge einer wiederholten mechanischen Überbelastung sein, die typischerweise bei aktiven, ansonsten gesunden Patienten auftritt [1].
In aller Regel assoziieren wir die Enthesitis mit der Spondyloarthritis. Dazu gehören unter anderem die folgenden Erkrankungen:
- Axiale Spondyloarthritis (axSpA): frühe nicht-radiografische/radiografische Spondyloarthritis, ankylosierende Spondylitis.
- Periphere Spondyloarthritis (pSpA)
- Reaktive Arthritis (ReA)
- Psoriatische Arthritis (PsA)
- Undifferenzierte Spondyloarthritis (uSpA)
- Enterohepatische Spondyloarthritis (eSpA)
- Spondyloarthritis mit primärer Enthesitis, z. B. juvenile Spondyloarthritis
- SAPHO-Syndrom (Synovitis-Akne-Pustulose-Hyperostose-Osteitis-Syndrom)
Es ist jedoch äußerst wichtig zu beachten, dass die Enthesitis nicht nur bei den oben genannten Spondyloarthritiden auftritt. Eine entzündliche Enthesitis kann bei verschiedenen Erkrankungen auftreten (Beispiele: Endokrinopathien, mechanische Belastung, Vaskulitis, Osteoarthritis, medikamentenassoziierte, isolierte juvenile Arthritis, IgG4-assoziierte, DISH, familiäres Mittelmeerfieber). Darüber hinaus treten bei der Bildgebung auch bei asymptomatischen gesunden Personen Veränderungen auf, die vom Alter, der körperlichen Aktivität und dem Body-Mass-Index abhängen und bei Männern häufiger sind als bei Frauen [2].
Inwieweit mechanischer Stress bei den pathologischen Mechanismen von pSpA und PsA eine Rolle spielt, bleibt unklar. Es gibt jedoch keinen Gegenbeweis dafür, warum sich die Prozesse bei diesen systemischen Erkrankungen grundlegend von einer isolierten Enthesitis unterscheiden, da die untere Extremität häufiger betroffen ist [1]. Eine Hypothese ist eine niedrigere Schwelle für die Entwicklung einer Enthesitis bei Patienten mit SpA und PsA [1]. Dies könnte durch eine verlängerte Immunaktivierung aufgrund des IL-23-IL-17-Signalwegs erklärt werden, der als Katalysator einer Reihe von Zytokinen und anderen entzündungsfördernden Mediatoren wirkt [1].
Aufgrund einer Vielzahl von Mediatoren wird die Entzündung der Knochenhaut von einer erstaunlichen Gewebeproliferation in Form von lokalen Anlagerungen von Knochenhaut an den Knochenhautstellen (Enthesophyten) begleitet [1].
Es gibt nur sehr wenige Daten über die Beteiligung der Schulter bei Patienten mit SpA. Eine Studie über axiale SpA ergab, dass die Rotatorenmanschette bei 7% bis 33% der Patienten betroffen ist, wobei die Prävalenz zunimmt, je länger die Patienten an axialer SpA leiden [3]. Im Allgemeinen werden Übergewicht, aktive Gelenkerkrankungen und junges Alter mit dem Auftreten von Enthesitis in Verbindung gebracht [1].
In der klinischen Praxis sehen wir die Enthesitis häufig im Zusammenhang mit der Spondyloarthritis am Ursprung des Deltamuskels am Akromion und im Bereich des Ansatzes der Supraspinatussehne.
In der Regel äußert sich die Enthesitis durch Schmerzen an der Ansatzstelle, ohne dass eine Schwellung auftritt [1].
Die klinische Schulterbeteiligung bei SpA ist durch eine Enthesitis an der Suprapinatus- und Deltoid-Enthese gekennzeichnet [3]. Zusätzlich finden sich regelmäßig Entzündungen des AC-Gelenks und Ödeme am Ursprung des M. deltoideus [3]. Die Befunde sind häufig beidseitig und symmetrisch. Die Patienten klagen über Schmerzen und Steifheit in dem betroffenen Bereich [3].
Andere Symptome, die auf eine SpA hinweisen können, sind [2]:
- Entzündliche Rückenschmerzen, die sich bei Bewegung bessern
- Asymmetrische Arthritis, insbesondere an den unteren Extremitäten
- Positive Familienanamnese von SpA
- Urethritis oder Zervizitis
- Psoriasis
- Beginn vor dem 40. Lebensjahr
Die Anamnese dient dazu, Erkenntnisse über allfällige Familienbeteiligung des Patienten zu gewinnen und nach anderen Anzeichen zu suchen, die auf eine bestimmte Ursache hinweisen könnten.
Krankheitsspezifische Diagnose
Der Untersucher sollte die Schulter inspizieren und palpieren, wie auch den Bewegungsumfang des Glenohumeralgelenks und des Akromioklavikulargelenks beurteilen [3]. Die klinische Diagnose wird durch die Uneindeutigkeit des Krankheitsbildes erschwert [1-4]. Die Unterscheidung zwischen Enthesitis und Synovitis kann ebenfalls eine echte Herausforderung darstellen. Glücklicherweise haben Fortschritte in der Bildgebung zu einer empfindlicheren und spezifischeren Art der Diagnose von Enthesitis geführt [4].
Anhand von Röntgenbefunden kann die Schulterbeteiligung bei SpA-Patienten in zwei verschiedene Formen unterteilt werden:
Die nicht-destruktive und die destruktive Form. Bei der nicht-destruktiven SpA der Schulter können eine Ankylose des Humeruskopfes und eine Verknöcherung des Ligamentum coracoclaviculare beschrieben werden. Für die destruktive Form ist die Erosion des Humeruskopfes (Hatchet-Zeichen) aufgrund einer Enthesitis charakteristisch. Die Beteiligung des Akromioklavikulargelenks lässt sich im Röntgenbild als degenerative Veränderung erkennen [3].
Die klinische Diagnose der Enthesitis ist in Bezug auf Sensitivität und Spezifität unzureichend, weshalb bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) oder die hochauflösende Sonographie eingesetzt werden.
Die MRT-Befunde reichen von Knochenmarködemen des Akromions und des Tuberculum majus bis hin zu Knochenmarksödemen an den Ursprungs- bzw. Ansatzpunkten der Deltoid- und Supraspinatussehne [3].
Der Ultraschall wird zur Beurteilung einer Enthesitis in Form von Sehnenverdickungen, knöchernen Erosionen und Enthesophyten eingesetzt [3]. Zusätzlich kann der Untersucher mit Hilfe des Doppler-Signals Einblicke in entzündliche Prozesse gewinnen [1]. Eine glenohumeralen Synovitis hingegen wird bei SpA nicht häufig gesehen [3].
Nimmt man die MRT als Goldstandard, liegt die Sensitivität bei 0,93 gegenüber 0,58 und die Spezifität bei 0,92 gegenüber 0,84, wenn man Ultraschall und klinische Untersuchung vergleicht. In den letzten Jahren wurden viele und manchmal unterschiedliche Definitionsversuche für die Sonographie veröffentlicht. In den Ultraschall-Definitionen der Enthesitis wurden die folgenden Ultraschallbefunde genannt:
- Dickenzunahme der Sehne (94 %).
- Hypoechogenität der Sehne (83 %)
- Enthesophyt (69 %)
- Erosion (67 %)
- Verkalkung (52 %)
- Schleimbeutelentzündung (46 %)
- Unregelmäßigkeit der Kortikalis (29 %)
- Doppler-Signal (46 %)
Alle oben genannten sonomorphologischen Befunde sind nicht zu 100 % spezifisch für eine SpA-assoziierte Enthesitis und können bei allen oben genannten Erkrankungen vorhanden sein. Ein weiteres Problem bei diesen verschiedenen Befunden ist, dass sie unterschiedliche Entitäten der Enthesitis darstellen. Einige weisen auf eine anhaltende Entzündungsaktivität hin (die potenziell reversibel ist), während andere eher auf eine chronische und vermutlich irreversible Schädigung bzw. auf Reparaturprozesse hinweisen [2].
Anzeichen einer Entzündung im Ultraschall:
- Hypoechogenität und Verlust des homogenen fibrillären Musters der enthesisnahen Sehne und des Faserknorpels (subjektive qualitative Beschreibung und daher abhängig vom Sondenwinkel und ''Gain'' des Geräts).
- Zunahme der Dicke
- Doppler-Aktivität (z. B. im B-Flow-Modus, Farbdoppler oder Power-Doppler)
Anzeichen einer Schädigung im Ultraschall:
- Verkalkungen, hyperechoisch
- Enthesophyten (gewöhnlich an der am schlechtesten vaskularisierten distalen Stelle).
- Erosionen, die häufig unter dem proximalen Bereich der Sehnenansätze zu finden sind und mit biomechanischen Faktoren zusammenhängen.
Zur Behandlung der unspezifischen Enthesitis gibt es nur wenige Forschungsergebnisse [1]. Die pharmakologische Behandlung der SpA besteht aus NSAR und dem Einsatz spezifischer Antagonisten, z. B. TNF-, IL-23- und IL-17-Antagonisten, um die Schmerzen zu lindern und eine Schädigung der Gelenke zu verhindern [2].
Die Prognose und der weitere Verlauf der Grunderkrankung hängen in jedem Fall von der zugrunde liegenden Grunderkrankung ab.
- Schett, Georg, Rik J. Lories, Maria-Antonietta D'Agostino, Dirk Elewaut, Bruce Kirkham, Enrique R. Soriano, and Dennis McGonagle. 2017. "Enthesitis: From Pathophysiology To Treatment". Nature Reviews Rheumatology 13 (12): 731-741. doi:10.1038/nrrheum.2017.188.
- Tamborrini G, Bruyn GA. CME-Sonografie 93: Ultraschall der Enthese – nicht jede «Enthesitis» bedeutet eine Spondyloarthritis [CME Sonography 93: Ultrasound of the Enthesis - Not Every "Enthesitis" Signals a Spondyloarthritis]. Praxis (Bern 1994). 2020 Sep;109(11):888-896. German. doi: 10.1024/1661-8157/a003566. PMID: 32873169.
- López-Medina, Clementina, M. Carmen Castro-Villegas, and Eduardo Collantes-Estévez. 2020. "Hip And Shoulder Involvement And Their Management In Axial Spondyloarthritis: A Current Review". Current Rheumatology Reports 22 (9). doi:10.1007/s11926-020-00930-7.
- Koppikar, Sahil, and Lihi Eder. 2020. "The Management Of Enthesitis In Clinical Practice". Current Opinion In Rheumatology 32 (4): 380-386. doi:10.1097/bor.0000000000000715.
Links: