Schulterinfo.ch - Glenohumeral Joint - Instability
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Zusammenfassung
Unter glenohumeraler Instabilität versteht man die symptomatische Unfähigkeit, den Oberarmkopf in seiner physiologischen Position im Glenoid zu zentrieren.
Die Instabilität kann durch traumatische Ereignisse wie Luxationen oder Bandverletzungen entstehen. Darüber hinaus können angeborene Defekte in der Knochen- und Knorpelstruktur oder im Bandapparat sowie muskuläre Dysbalancen und Hypermobilitätssyndrome zu einer Instabilität des Glenohumeralgelenks führen.
Die Diagnose wird durch eine Kombination aus Anamnese und speziellen Tests gestellt.
Im Hinblick auf die Ätiologie der glenohumeralen Instabilität kann eine Physiotherapie oder sogar ein chirurgischer Eingriff erforderlich sein.
Unter glenohumeraler Schulterinstabilität versteht man die sympotmatische Unfähigkeit, den Humeruskopf im Glenoid aktiv zu zentrieren. Hyperlaxität hingegen ist eine Translation des Humeruskopfes, die größer ist, als physiologisch zu erwarten [1].
Häufig wird von Instabilität gesprochen, wenn von symptomatischen Translationen des Schultergelenks mit Leistungseinbußen oder Schmerzen die Rede ist, wohingegen Hyperlaxität als asymptomatischer, aber nicht unbedingt physiologischer Zustand angesehen wird [1].
Es ist zu beachten, dass eine Hyperlaxität eine Instabilität des Schultergelenks begünstigen oder traumatische Ereignisse begünstigen kann. Die Hyperlaxität kann jedoch auch eine eigenständige Entität sein, die keine Instabilität verursacht. Mit anderen Worten: Eine Schulterinstabilität kann mit oder ohne Hyperlaxität vorliegen.
Mehrere Mechanismen können zu einer Instabilität der Schulter führen. Sie lassen sich im Allgemeinen in zwei verschiedene Gruppen einteilen:
Traumatisch
- Die Instabilität ist in der Regel unidirektional und einseitig
- Mechanismen, die zu einer Instabilität führen
- Anteriore Dislokation oder Subluxation
- Posteriore Dislokation oder Subluxation
- Inferiore Dislokation oder Subluxation
- Beobachtete Läsionen im Glenohumeralgelenk:
- Labraleinrisse
- Bandverletzungen (typischerweise Ligamentum glenohumeralis inferior)
- Knochendefekte am Glenoid (knöcherne Bankart-Läsion, Knochendefizit am Rand des Glenoids)
- Knochendefekte am Oberarmkopf (Hill-Sachs-Läsion)
Atraumatisch
- Die Instabilität ist häufig multidirektional und beidseitig. Es kann jedoch auch eine unilaterale, unidirektionale Instabilität vorliegen.
- Mechanismen, die zur Instabilität führen:
- Hyperlaxität des Gelenks, mit oder ohne angeborene Störungen
- Überlastung, die zu einer Schwäche der Stabilisatoren des Glenohumeralgelenks führt
- Muskuläre Dysbalance
- Beobachtete Läsionen im Glenohumeralgelenk:
- Eine Dysplasie des Glenoids mit einem unzureichenden hinteren Glenoidrand kann bei Patienten mit unidirektionaler hinterer Instabilität vorhanden sein.
- Meistens zeigt die MRT eine breite Gelenkkapsel, aber keine andere Läsion des Glenohumeralgelenks
Sport ist die Hauptursache für Instabilitätsereignisse bei jungen Patienten. Rund 75 % der Luxationen oder Subluxationen sind auf Verletzungen bei sportlichen Aktivitäten zurückzuführen [3]. Die anteriore Instabilität macht mehr als 70 % aus, gefolgt von der posterioren Instabilität mit mehr als 20 % [3]. Diese Zahlen korrelieren mit der Richtung der Dislokation. Die meisten Patienten, die sich mit irgendeiner Art von Instabilität vorstellen, sind somit unter 30 Jahre alt, männlich und aktiv, da diese Bevölkerungsgruppe am anfälligsten für Luxationsereignisse ist [3].
Instabilität äußert sich auf unterschiedliche Weise:
Das Apprehension-Zeichen ist das typische Symptom einer anterioren, unidirektionalen (traumatischen) Instabilität. Bei Abduktion und Außenrotation befürchtet der Patient eine Luxation des Humeruskopfes und versucht daher diese Position zu vermeiden. Im chronischen Krankheitsverlauf vermeidet der Patient möglicherweise Überkopftätigkeiten, wie z. B. das Kämmen der Haare, komplett [1].
Patienten mit posteriorer (posttraumatischer) Instabilität berichten dagegen, dass sie die Flexion und gleichzeitige Innenrotation des Arms vermeiden, wie z. B. beim Aufstoßen einer Tür [1]. Diese Art der Instabilität wird häufig als Impingement-Syndrom fehlinterpretiert.
Die Symptome einer atraumatischen multidirektionalen Instabilität können vager ausfallen. Die Patienten berichten über Schmerzen bei alltäglichen Aktivitäten, chronische Muskelverspannungen (die zu Kopfschmerzen führen) und Dysästhesien in der betroffenen Schulter und im Arm.
Eine unidirektionale inferiore Instabilität ist selten und wird am häufigsten beim Tragen schwerer Taschen festgestellt [1].
Die Anamnese ist das wichtigste Instrument bei der Diagnose einer Schulterinstabilität, wobei unterschiedliche Verläufe auf bestimmte Ätiologien hinweisen können. Es gibt mehrere Punkte, die angesprochen werden sollten, wenn bei einem Patienten eine Schulterinstabilität vermutet wird [4]:
- Alter
- Die Patienten sind in der Regel jung (<40) im Vergleich zu anderen Pathologien der Schulter; Patienten im Teenageralter oder in den 20ern beschreiben häufig ein traumatisches Ereignis [1].
- Unilaterale oder bilaterale Beteiligung
- Eine bilaterale Beteiligung wird in der Regel bei atraumatischer Ätiologie beobachtet
- Familienanamnese der Instabilität
- Könnte ein Indikator für genetische Störungen sein, die sich auf Gewebematrixproteine auswirken und zu Hypermobilität führen
- Erstes oder wiederkehrendes Ereignis
- Armstellung während des Ereignisses
- Deutet auf eine anteriore Luxation und Instabilität hin:
- Abduktion, Extension und Außenrotation
- Deutet auf eine hintere Luxation und Instabilität hin:
- Adduktion, Flexion und Innenrotation (z. B. bei Rugbyspielern)
- Deutet auf eine anteriore Luxation und Instabilität hin:
- Anzahl der vorangegangenen Ereignisse
- Ausmaß der Kraft (initial und wiederkehrend)
- Kann der Patient das Ereignis willentlich wiederholen?
- War ein Repositionsmanöver erforderlich?
- Vorhandensein und Ort von Schmerzen oder Empfindungsstörungen
- Vorhandensein von mechanischen Symptomen
- Frühere Schulteroperationen
Krankheitsspezifische Diagnose
Die körperliche Untersuchung ist der nächste Schritt bei der Diagnose einer Schulterinstabilität. Zuallererst sollte die Schulter des Patienten gründlich inspiziert werden. Asymmetrien in Form einer Atrophie des M. deltoideus, des M. supraspinatus oder des M. infraspinatus können auf eine Nervenschädigung oder einen Riss der Rotatorenmanschette hinweisen und sollten weiter untersucht werden [4]. Auch die Position des Schulterblatts in Ruhe und beim Anheben sollte genau untersucht werden, um eine Dyskinesie des Schulterblatts zu erkennen [4]. Die Prüfung des Bewegungsumfangs und der Kraft beider Schultern kann Hinweise auf die Richtung der Instabilität und den Verlauf der Erkrankung geben. Neurovaskuläre Tests sind wichtig, da bei Patienten mit rezidivierenden Luxationen das Risiko besteht, dass der Nervus axillaris und die umliegenden Gefäße verletzt werden [4].
Mehrere klinische Tests ermöglichen die Diagnose einer Instabilität und/oder (Hyper-)Laxität der betroffenen Schulter
Tests für Schulterinstabilität (Videos zu den Untersuchungstechniken am Ende dieser Seite):
- Apprehensionstest (anteriore unidirektionale Instabilität)
- Der Patient sitzt oder liegt in Rückenlage am Rand der Untersuchungsliege, was zusätzlich das Schulterblatt abstützt. In 90° Abduktion rotiert der Untersucher die Schulter langsam nach aussen auf 90°. Beschwerden oder Schmerzen in dieser Position weisen bereits auf eine anteriore Instabilität hin. Der Test kann durch Applikation einer nach vorne gerichteten Kraft auf den proximalen Humerus erweitert werden.
- Relokationstest (anteriore unidirektionale Instabilität)
- Der Relokationstest kann als eine Variante des Apprehensionstests angesehen werden, da sich Patient und Arm des Patienten in der gleichen Position befinden. Anstelle der anterior gerichteten Kraft wird jedoch eine posterior gerichtete Kraft ausgeübt, die die Apprehension und/oder Schmerzen des Patienten lindert. Schließlich kann noch ein Loslasstest durchgeführt werden, bei dem der Untersucher die nach hinten gerichtete Kraft plötzlich loslässt, was dazu führen sollte, dass die Apprehension und/oder der Schmerz reproduziert werden.
- Jerk-Test (posteriore unidirektionale Instabilität)
- Der Patient liegt in Rückenlage auf der Bettkante des Untersuchers, der den Arm des Patienten in 90° Vorwärtsflexion, maximaler Adduktion und Innenrotation hält. Der Untersucher drückt dann auf den Ellenbogen und erzeugt eine nach hinten gerichtete Kraft (''posterior load''), wobei er genau auf eine Subluxation oder Luxation achtet. Unter Beibehaltung der ''posterior load'' wird der Arm langsam und vorsichtig abduziert und auf ein Schnappen gefühlt, wenn sich der Oberarmkopf in das Glenoid verlagert.
Tests auf (Hyper-)Laxität:
- Schubladentest (anteriore/posteriore unidirektionale (Hyper-)Laxität)
- Anterior: Der Patient sitzt aufrecht, der Untersucher stabilisiert das Schulterblatt, indem er den Zeigefinger auf das Coracoideum und den Daumen auf die spina scapulae legt. Der Untersucher umgreift dann den Humeruskopf mit seinem anderen Zeigefinger und Daumen und schiebt ihn leicht nach vorne. Das Ausmaß der Translation wird als Prozentsatz des Humeruskopfes geschätzt, der anterior zum Glenoidrand subluxiert werden kann.
- Posterior: Ähnlich wie beim anterioren Schubladentest stabilisiert der Untersucher die Scapula, während der Patient aufrecht sitzt. Anschließend schiebt er den Oberarmkopf vorsichtig in Richtung des hinteren Glenoidrands. Wie beim vorderen Schubladentest wird die Translation als der Prozentsatz des Humeruskopfes gemessen, der subluxiert werden kann.
HINWEIS: Bis zu 50 % können als physiologisch angesehen werden, was die Bedeutung des Vergleichs beider Seiten unterstreicht.
- Load and shift test (anteriore/posteriore unidirektionale (Hyper-)Laxität)
- Während der Patient in Rückenlage auf der Bettkante des Untersuchers liegt, abduziert der Untersucher vorsichtig den Arm und übt eine axiale Belastung auf den Arm des Patienten aus (Load). Eine Hand umgreift dabei den proximalen Humerus, worauf der Humeruskopf in posteriorer und anteriorer Richtung verschoben (Shift). Nach der Klassifikation von Gerber und Ganz kann das Ausmaß der Translation in drei Grade eingeteilt werden:
- Grad I: Minimale Translation des Humeruskopfes
- Grad II: Translation des Humeruskopfes bis zum Glenoidrand
- Grad III: Translation des Humeruskopfes über den Glenoidrand
- Während der Patient in Rückenlage auf der Bettkante des Untersuchers liegt, abduziert der Untersucher vorsichtig den Arm und übt eine axiale Belastung auf den Arm des Patienten aus (Load). Eine Hand umgreift dabei den proximalen Humerus, worauf der Humeruskopf in posteriorer und anteriorer Richtung verschoben (Shift). Nach der Klassifikation von Gerber und Ganz kann das Ausmaß der Translation in drei Grade eingeteilt werden:
- Sulcus-Test (inferiore (Hyper-)Laxität)
- Der Patient sitzt in aufrechter Position und legt den zu untersuchenden Arm locker zur Seite. Der Untersucher fixiert Scapula und Acromion, indem er den Zeigefinger auf das Coracoid und den Daumen auf die spinae scapulae legt. Der Arm wird dann am Ellbogen nach unten gezogen. Der Sulcustest ist positiv, wenn eine Einbuchtung unterhalb des Akromioms sichtbar wird.
Wenn frühere Befunde auf eine generalisierte Laxität oder Instabilität in mehrere Richtungen hindeuten, sollte die Hyperlaxität anhand des Beighton-Scores [5] beurteilt werden. Die Patienten werden in verschiedenen Tests von 0 bis 9 bewertet:
- Hyperextension des Kleinfingergrundgelenks über 90 Grad hinaus (2P)
- Fähigkeit, den Daumen auf den volaren Unterarm zu legen (2P)
- Hyperextension des Ellenbogengelenks über 10 Grad hinaus (2P)
- Hyperextension des Kniegelenks >10 Grad (2P)
- die Fähigkeit, beide Handflächen bei gestreckten Knien flach auf den Boden zu legen (1P)
Ein Punkt wird für einen positiven Befund auf beiden Seiten vergeben. Ein Wert von 4 oder mehr wird mit einer generalisierten Bandlaxität in Verbindung gebracht [5].
Im Falle einer Instabilität sollten Röntgenaufnahmen, CT oder MRT durchgeführt werden, um mögliche Läsionen des Glenoids oder des Humeruskopfes auszuschließen, da diese Auswirkungen auf die Behandlung haben können [1].
- Riss der Rotatorenmanschette
- Impingement-Syndrom (hintere Instabilität)
- Arthrose
- Glenohumeral-Synovitis aufgrund einer systemischen Erkrankung
Generell richtet sich die Behandlung der Schulterinstabilität nach der zugrunde liegenden Pathologie (d. h. traumatisch oder atraumatisch).
Die Behandlung der Schulterinstabilität ist ein in der Literatur viel diskutiertes Thema. Es lässt sich jedoch sagen, dass Patienten mit atraumatischer Instabilität mehr von einer nicht-operativen Behandlung profitieren als Patienten mit traumatischer Instabilität [1]. Für die atraumatische und die traumatische Instabilität wurden gute bzw. ausgezeichnete Ergebnisse von 80 % bzw. 16 % berichtet, obwohl ein 8-Jahres-Follow-up ein weniger vielversprechendes Ergebnis zeigte [1]. Weitere Informationen über die Behandlung und Nachbehandlung von Dislokationen finden Sie unter GH Dislokation
Die erste Behandlungslinie bei Patienten mit Instabilität aufgrund von Hyperlaxizität, muskulärer Dysbalance oder Überlastung besteht aus Physiotherapie mit Schwerpunkt auf der Stärkung der Rotatorenmanschette und Übungen zur Verbesserung der Skapularkinetik [1]. Wenn die Symptome trotz Physiotherapie fortbestehen, sollte eine chirurgische Stabilisierung in Betracht gezogen werden. Die meisten invasiven Verfahren beruhen auf der Verkleinerung des Kapselvolumens [1]. Bei anatomisch bedeutsamen strukturellen Anomalien wie z. B. einer Glenoiddysplasie ist in der Regel eine Operation erforderlich. Nach einem Nachbeobachtungszeitraum von 4 Jahren wurde eine Redislokationsrate von nur 7,8 % berichtet [1].
Risikofaktoren für eine wiederkehrende Instabilität sind: Alter unter 30 Jahren, männliches Geschlecht und Ausübung von Kontaktsportarten oder Sportarten mit hoher Beanspruchung des Oberkörpers [2]. Insgesamt ist die Prognose bei frühzeitiger Behandlung günstig. Dennoch gibt es langfristige Probleme, die mit einer Instabilität des Glenohumeralgelenks einhergehen. Dazu gehören Schäden an der Gelenkkapsel, Knochenverlust an Glenoid und Humeruskopf sowie glenohumerale Arthrose [2]. Aus einer Studie geht hervor, dass 31,2 % der Gelenke vor der ersten Stabilisierungsoperation röntgenologische Anzeichen einer glenohumeralen Arthrose aufweisen und dass die Anzahl der Luxationen mit dem Grad der degenerativen Veränderungen korreliert [2].
1. Best, Matthew J., and Miho J. Tanaka. 2018. "Multidirectional Instability Of The Shoulder: Treatment Options And Considerations". Sports Medicine And Arthroscopy Review 26 (3): 113-119. doi:10.1097/jsa.0000000000000199.
2. Cameron, Kenneth L., Timothy C. Mauntel, and Brett D. Owens. 2017. "The Epidemiology Of Glenohumeral Joint Instability: Incidence, Burden, And Long-Term Consequences". Sports Medicine And Arthroscopy Review 25 (3): 144-149. doi:10.1097/jsa.0000000000000155.
3. Kraeutler, Matthew J., Eric C. McCarty, John W. Belk, Brian R. Wolf, Carolyn M. Hettrich, Shannon F. Ortiz, and Jonathan T. Bravman et al. 2018. "Descriptive Epidemiology Of The MOON Shoulder Instability Cohort". The American Journal Of Sports Medicine 46 (5): 1064-1069. doi:10.1177/0363546518755752.
4. Haley, COL Chad A. 2017. "History And Physical Examination For Shoulder Instability". Sports Medicine And Arthroscopy Review 25 (3): 150-155. doi:10.1097/jsa.0000000000000154.
5. Cameron KL, Duffey ML, DeBerardino TM, et al. "Association of generalized joint hypermobility with a history of glenohumeral joint instability". J Athl Train. 2010;45:253–258
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